Patin Bettina Schwerdtner
Als Patin betreut Bettina Schwerdtner (51) aus der Nähe von Braunschweig Anna K., die aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet ist. Deutsch zu lernen und Arbeit zu bekommen waren Annas ganz große Ziele – und die hat sie schon bald erreicht.
Seit wann engagieren Sie sich als Patin für flüchtende Menschen?
Bettina Schwerdtner: Unmittelbar nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte ich das Bedürfnis, zu helfen. Mein Mann und ich haben zuerst Sachspenden zusammengetragen und dann überlegt, ob wir einen geflüchteten Menschen bei uns aufnehmen können, was aber wegen unserer Wohnsituation nicht ging. Da ich freiberuflich als Trader im Aktienhandel arbeite, kann ich mir meine Zeit relativ frei einteilen und habe mich dann als Patin bei der Freiwilligenagentur Braunschweig beworben. Mein erster Mentee war eine Frau aus der Ukraine. Sie war alleine mit ihrem Sohn hier und fühlte sich nicht wirklich wohl. Alles was ich tun konnte, war sie bei Arztbesuchen und Behördengängen zu begleiten. Dann ging sie in die Ukraine zurück, über WhatsApp wir haben wir aber immer noch Kontakt.
Unmittelbar nach dem russischen Angriff auf die Ukraine
hatte ich das Bedürfnis, zu helfen.
Seit wann betreuen Sie Anna K.?
Seit dem Mai 2023. Anna ist mit ihrem Mann, Sohn und ihrer Mutter nach Deutschland gekommen. Sie war von Anfang an sehr engagiert, sie wollte Deutsch lernen und möglichst schnell wieder arbeiten. Ich habe sie durch die Sprachkurse B1 und B2 begleitet, was manchmal einfach nur bedeutete, dass wir sehr viel miteinander geredet und Spaß gehabt haben. Für Behördengänge brauchte sie mich gar nicht, die hat sie meist allein erledigt. Und über das Ausfüllen bestimmter Formulare hat sie sich in ukrainischen Austauschforen auf Social Media informiert.
Wie oft treffen Sie beide sich?
Anfangs haben wir uns wöchentlich gesehen, zwischendurch war das dann weniger geworden. Da haben wir uns manchmal nur abends auf ein Getränk, fast wie Freundinnen. Im Moment sehen wir uns aber wieder häufiger, weil Anna sich gerade auf die Prüfung im C1-Sprachkurs vorbereitet.
Manchmal treffen wir uns jetzt abends auf ein Getränk,
fast wie Freundinnen.
In welchem Bereich konnte Anna, Ihrer Meinung nach, am meisten von Ihrer Begleitung profitieren?
Eindeutig im Beruflichen. Von Anfang an wollte sie arbeiten, egal wo, ob beim Bäcker oder Paketdienst, einfach auch um Deutsch zu lernen. Ich habe Anna dann überzeugt, dass es viel sinnvoller ist, wenn sie in ihrem erlernten Beruf arbeitet; sie war Sicherheitsingenieurin im Atomkraftwerk Saporischschja. Und da ich auch gelernte Ingenieurin bin, genauer gesagt Bauingenieurin, konnte ich ihr entsprechende Kontakte vermitteln und habe ihr dann bei den Bewerbungen geholfen. Inzwischen hat sie vier Jobangebote, zwischen denen sie sich entscheiden kann.
Gab es Momente in Ihrer Zusammenarbeit, die Sie persönlich belastet haben?
Anna muss häufig weinen, wenn sie von ihrer Heimat spricht. Ihre Wohnung liegt in einer Region, die inzwischen russisch besetzt ist, dahin könnte sie gar nicht zurück, selbst wenn sie wollte. Ihre Trauer und ihren Schmerz mitzuerleben, das berührt mich schon sehr. Und man merkt dabei, wie klein unsere eigenen Probleme sind. Natürlich haben wir aber auch viel Spaß miteinander. Anna und ich waren uns auf Anhieb total sympathisch. Und auch unsere beiden Familien haben sich inzwischen kennengelernt.
Ihre Trauer und ihren Schmerz mitzuerleben,
das berührt mich schon sehr. Und man merkt dabei,
wie klein unsere eigenen Probleme sind.
Was ist ihre persönliche Motivation, als Patin tätig zu sein?
Ich lerne gerne von anderen Kulturen. Und in diesem engen Austausch zwischen Patin und Geflüchteter erfährt man viel voneinander. Man redet ja immerzu und lernt sich sehr gut kennen. Das geht dann bis hin zu Kleinigkeiten in den Lebensweisen: Als ich Anna unseren Garten zeigte, wunderte sie sich, wo denn unser Nutzgarten ist. In der Ukraine, so meine sie, baut fast jeder Kartoffeln, Gurken und Möhren an. Über meine drei Tomaten im Topf konnte sie nur lachen.
Über meine drei Tomaten im Topf konnte sie nur lachen.
Wie lange werden Sie noch Annas Patin sein?
Sie wird jetzt bald eine Arbeitsstelle und auch das C1-Sprachzertifikat haben, da braucht sie mich auf absehbare Zeit nicht mehr. Ich bin auch schon mit der Freiwilligenagentur im Gespräch über einen neuen Mentee.
Was würden Sie Menschen raten, die auch überlegen, Pate oder Patin zu werden?
Man sollte mit allem rechnen und für alles offen sein. Und man sollte auch den Mut haben, zu sagen, wenn es nicht passt. Denn ob dieser enge, intensive Austausch funktioniert, hängt auch davon ab, ob es zwischen beiden Parteien menschlich harmoniert.